Höchste Zeit für B10. Ein Überblick.

Handlungsdruck. 

Um unsere Klimaziele zu erreichen, müssen wir alle verfügbaren Optionen zur effektiven Minderung der Treibhausgase nutzen. Insbesondere im Verkehrssektor. Und insbesondere dann, wenn diese Optionen helfen, dass auch der Verbrennerbestand einen Beitrag zum Klimaschutz leistet.

Biodiesel ist eine solche Option. Biodiesel wird seit 2009 herkömmlichem Diesel bis zu 7 Prozent (B7) beigemischt. Wer heute sein Dieselfahrzeug an einer öffentlichen Tankstelle betankt, betankt es also in der Regel auch anteilig mit Biodiesel.

Aber es geht noch mehr! Denn viele Dieselfahrzeuge dürfen Biodiesel auch in höheren Beimischungen nutzen, wie B10, B20, B30 oder in reiner Form (B100). Entscheidend dabei ist die Freigabe des Fahrzeugherstellers.

Was ist B10?   

Wird herkömmlichem Diesel bis zu 10 Prozent Biodiesel beigemischt, spricht man von B10. Biodiesel wird auch als FAME = Fatty Acid Methyl Ester bezeichnet. Und ganz wichtig: HVO ist kein Biodiesel! Biodiesel wird per Umesterung zum Beispiel aus gebrauchten Speiseölen und Rapsöl hergestellt. HVO dagegen wird per Hydrierung und Isomerisierung hergestellt.

Warum B10?  

KlimaschutzB10 leistet unmittelbar und effektiv einen spürbaren Beitrag zum Klimaschutz im Straßenverkehr. Biodiesel mindert die Treibhausgasemissionen gegenüber herkömmlichem Diesel um über 90 Prozent. Dieser Wert ist abhängig vom eingesetzten Ausgangsstoff zur Produktion des Biodiesels.

Effizienz. Die Erhöhung der Biodiesel-Beimischung auf bis zu 10 Prozent stellt gegenüber anderen erneuerbaren Kraftstoffoptionen die wohl effizienteste und wirtschaftlichste Option für Verbraucher und Klimaschutz dar.

Fahrzeugbestand. Wollen wir unsere kurzfristigen Klimaziele erreichen, muss auch der Fahrzeugbestand (Pkw und Lkw) mit Dieselmotoren einen Beitrag dazu leisten. Gleichzeitig wird es nur schwer gelingen, den Schwerlastverkehr auf elektrische Antriebe umzustellen.

Regionale Wertschöpfung. Biodiesel wird meist hergestellt von mittelständischen Unternehmen und aus heimischen Ausgangsstoffen. Die Produktionsanlagen sind über ganz Deutschland verteilt. Damit leistet Biodiesel auch einen Beitrag zur Versorgungssicherheit und zur Energiesouveränität.

Werden B10 und höhere Biodiesel-Beimischungen bereits in anderen Ländern genutzt? 

B10 und höhere Beimischungen sowie B100, die Verwendung von reinem Biodiesel, werden bereits in Ländern wie Frankreich und Belgien (B10, nicht flächendeckend), Portugal (B15, nicht flächendeckend), USA (bis B20), Brasilien (B10 oder B12, flächendeckend) oder in Ländern Südostasiens (B10 und B20, meist flächendeckend) sowie Österreich, der Schweiz und Deutschland (B100, einzelne Fuhrparks) genutzt.

Welche Fahrzeuge dürfen B10 tanken?

Viele Pkw und Lkw sind bereits freigegeben für den Betrieb mit B10. Eine Übersicht „Freigaben für Motoren und Fahrzeuge für den Betrieb mit B10-Dieselkraftstoff gemäß DIN EN 16734“ wurde von der Arbeitsgemeinschaft Qualitätsmanagement Biodiesel e.V. (AGQM) erstellt. Eine weitere Übersicht mit dem Titel „B10-/XTL-Verträglichkeit für Kraftfahrzeuge“ finden Sie auf der Website der Deutschen Automobil Treuhand GmbH (DAT). Zusätzlich finden Sie Hinweise auf eine B10-Freigabe im Tankdeckel des Fahrzeuges oder in der Betriebsanleitung. Oder fragen Sie einfach nach beim Hersteller Ihres Fahrzeuges oder in einer Vertragswerkstatt.

Gibt es eine Norm für B10?

Ja, die B10-Norm führt die Bezeichnung DIN EN 16734.

Wo wird B10 angeboten?

Ziel muss es sein, dass B10 an möglichst vielen Tankstellen in Deutschland angeboten wird. Jede Tankstelle, die B10 anbietet, ist allerdings verpflichtet, weiterhin auch B7 als sogenannte Schutzsorte anzubieten.

Woran erkenne ich ein B10-Angebot an der Tankstelle?

Bietet eine Tankstelle B10 an, finden Sie an der Zapfsäule den Hinweis „Diesel B10“ und „Enthält bis zu 10 % Biodiesel“. Zudem erkennen Sie ein Angebot an der Zapfsäule an folgender Kennzeichnung.

Könnte die zusätzlich benötigte Menge Biodiesel von heimischen Herstellern produziert werden?

Grundsätzlich wäre es möglich, den zusätzlichen Bedarf in Deutschland zu produzieren. Ausreichend Produktionskapazität stünde zur Verfügung. Deutschland importiert Biodiesel aber auch aus anderen EU-Ländern oder Drittstaaten. Gleichzeitig exportiert Deutschland auch große Mengen Biodiesel, zum Beispiel in die Niederlande.

Welche Ausgangsstoffe würden für die Produktion der zusätzlich benötigten Menge Biodiesel genutzt?

Zusätzlich in Deutschland in Verkehr gebrachter Biodiesel würde in erster Linie aus Abfall, wie gebrauchten Speiseölen, Reststoffen und Rapsöl hergestellt. Nachfolgende Grafik zeigt die Rohstoffzusammenstzung des Biodiesels, der im Jahr 2022 in Deutschland in Verkehr gebracht wurde. Biodiesel aus Palmöl darf seit 2023 nicht mehr auf die deutschen Klimaziele angerechnet werden.

Im Blindflug

Am 14. Juli 2021 hat die Europäische Kommission ihr Fit for 55-Paket vorgestellt. Teil des Paketes ist ein Verordnungsvorschlag der DG MOVE, der Generaldirektion für Mobilität und Verkehr. Ziel des Vorschlages ist es, die Treibhausgasemissionen des Luftverkehrs nachhaltig zu mindern.

Ohne Zweifel, auch der Luftverkehr muss einen Beitrag zum Klimaschutz leisten. Viele Handlungsoptionen hat der Luftverkehr allerdings nicht. Zudem agiert die Branche in wirtschaftlich schwierigen Zeiten. Aber Bestrebungen, den Luftverkehr klimafreundlicher zu machen, dürfen nicht in blindem Aktionismus enden.

Bei dem Vorschlag der DG MOVE und dem zugehörigen Impact Assessment entsteht aber genau dieser Eindruck. Die Prämisse des Vorschlages lautet scheinbar: Lieber das Falsche tun als gar nichts.

Die DG MOVE setzt ab 2025 auf ein graduell ansteigendes Verwendungsmandat für erneuerbare Flugturbinenkraftstoffe. Das Problem ist, es gibt aktuell kaum Erfüllungsoptionen und nur eine in nennenswerten Mengen: Flugturbinenkraftstoff aus Abfallölen, meist aus gebrauchten Speiseölen, hergestellt nach dem „HEFA“-Verfahren (Hydroprocessed Esters and Fatty Acids). Eine Option, die vermutlich über viele Jahre die erste Wahl für Fluggesellschaften bleiben wird.

Auf den ersten Blick erscheint diese Option sinnvoll. Kraftstoffe aus Abfällen und Reststoffen finden eine breite öffentliche Unterstützung. Aber Abfälle und Reststoffe sind nur begrenzt verfügbar. Und sie werden meist schon anderweitig genutzt, so auch gebrauchte Speiseöle. Diese werden heute zu abfallbasiertem Biodiesel verarbeitet. Einem Kraftstoff, der die Treibhausgasemissionen um über 90 % mindert. Fossilem Diesel beigemischt hilft abfallbasierter Biodiesel, einen spürbaren Beitrag zum Klimaschutz im Straßenverkehr zu leisten. Bereits im Jahr 2018 wurden 3,6 Mio. t CO2-eq durch den Einsatz von abfallbasiertem Biodiesel im deutschen Straßenverkehr eingespart. Für den Luftverkehr ist Biodiesel nicht geeignet. Seine Kaltfließeigenschaften reichen dort nicht aus.

Blindlings und ohne im Impact Assessment zu definieren, wie groß die in der EU verfügbare Menge an gebrauchten Speiseölen eingeschätzt wird, schafft die DG MOVE nun eine zusätzliche Nachfrage. Vielmehr noch, sie stellt die Weichen für eine Umleitung gebrauchter Speiseöle von der Biodiesel- in die Flugturbinenkraftstoff-Produktion. Mit fatalen Folgen für den Klimaschutz.

Deutlich energieintensiver ist es, aus gebrauchten Speiseölen Flugturbinenkraftstoff herzustellen als Biodiesel. Gleichzeitig ist die Kraftstoffausbeute geringer. In Summe mindert Flugturbinenkraftstoff aus gebrauchten Speiseölen die Treibhausgasemissionen lediglich um rund 75 %. Eine Umleitung gebrauchter Speiseöle aus der Biodieselproduktion in den Luftverkehr würde folglich die Treibhausgasemissionen des Verkehrssektors insgesamt steigern.

Genau das würde der DG MOVE-Vorschlag bewirken. Der Grund: Es gibt in der EU nicht ausreichend gebrauchte Speiseöle zur Aufrechterhaltung der heutigen Biodieselproduktion daraus und zusätzlich zur Produktion der Menge erneuerbarer Flugturbinenkraftstoffe, welche das geplante Mandat ziehen würde. „Rohstoffkannibalisierung“ par excellence wäre die Folge. Und es wäre ein Kampf mit ungleichen Waffen. Das von der DG MOVE vorgesehene Verwendungsmandat würde einer Handvoll Produzenten von HEFA-Flugturbinenkraftstoffen einen unfairen Wettbewerbsvorteil einräumen gegenüber den rund 50 mittelständischen EU-Produzenten von abfallbasiertem Biodiesel.

EU-Klimapolitik bedarf deshalb einer holistischen Betrachtung. Sie muss Innovationsmotor sein. Sie muss neue, fortschrittliche Erfüllungsoptionen fördern, wie E-Kerosin oder Alkohol-to-Jetfuels. Und sie muss neue, bisher ungenutzte Abfälle und Reststoffe deren Verwendung zuführen. Ziel muss es sein, nicht nur den Luftverkehr klimafreundlicher zu machen, sondern den Verkehrssektor insgesamt. Hier versagt der Vorschlag der DG MOVE.

Autor: Detlef Evers, Geschäftsführer des MVaK

Die Verwendung von gebrauchtem Speiseöl zur Produktion von Flugkraftstoff ist ein klimapolitischer Irrweg

Gemeinsam mit unserem europäischen Schwesterverband EWABA haben wir die Studie „Conversion efficiencies of fuel pathways for Used Cooking Oil“ in Auftrag gegeben. Diese hat untersucht, wo gebrauchte Speiseöle (UCO = Used Cooking Oil) am effizientesten für den Klimaschutz im Verkehr eingesetzt werden: zur Biodiesel-Produktion, zur HVO-Produktion, zur HEFA-Produktion oder im Co-Processing.

Hintergrund für die Beauftragung der Studie ist unsere Sorge, dass die Europäische Kommission in ihrem anstehenden ReFuelEU-Aviation-Vorschlag eine undifferenzierte Verwendungspflicht für erneuerbare Flugkraftstoffe vorsieht. In der Folge könnte unseren mittelständischen Mitgliedern die Rohstoffbasis entzogen werden. Bisher für die Biodiesel-Produktion genutztes UCO könnte in die Produktion von HEFA (Hydroprocessed Esters and Fatty Acids)-Flugkraftstoffen umgeleitet werden.

Eine undifferenzierte Verwendungspflicht von zum Beispiel 2 % in 2025 würde in der EU etwa 1,1 Mio. t erneuerbare Flugkraftstoffe erfordern. Als UCO-HEFA würde dies unserer Branche, die heute etwa 2,5 Mio. UCO einsetzt, einen Großteil ihrer Rohstoffbasis entziehen. Gleichzeitig würde diese Menge dem Straßenverkehr und der Schifffahrt als UCO-Biodiesel (UCOME = Used Cooking Oil Methyl Ester) entzogen.

Die Studie zeigt: UCOME hat die höchste Treibhausgas-Emissionsminderung (90 %) und die niedrigsten Produktionskosten. UCO-HEFA dagegen die niedrigste Treibhausgas-Emissionsminderung (76 %) und die höchsten Produktionskosten.

Damit zeigt die vorliegende Studie auch mögliche Konsequenzen einer undifferenzierten EU-Klimapolitik auf: Die Umleitung von UCO aus der Biodiesel-Produktion in eine HEFA-Produktion würde die Bemühungen der EU zur Treibhausgasminderung des gesamten Verkehrssektors konterkarieren. Sie würde bei Einführung einer undifferenzierten Flugkraftstoff-Verwendungspflicht von 2 % in 2025 zu 1 Million Tonnen mehr Treibhausgasemissionen im Verkehrssektor führen!

Deshalb ist auch die Entscheidung der Bundesregierung, ab 2026 eine Verwendungspflicht von ausschließlich erneuerbaren Energien nicht-biogenen Ursprungs in der Luftfahrt einzuführen, der klimapolitisch richtige Schritt!

Die Studie finden Sie hier:

Rückblick auf den 18. Internationalen Fachkongress für erneuerbare Mobilität „Kraftstoffe der Zukunft 2021“. Im Fokus: Biokraftstoffe aus Abfall- und Reststoffen

Abfallbasierte Biokraftstoffe sind für die Energiewende im Verkehr unverzichtbar. Das wurde auf dem Fachkongress „Kraftstoffe der Zukunft 2021“ vom 18.-22.01.2021 einmal mehr deutlich.

Biokraftstoffe aus Abfall- und Reststoffen wurden dort ausführlich im Rahmen eines eigenen Themenblocks behandelt. In vier Vorträgen gingen Referenten aus England, den Niederlanden, Portugal und Deutschland auf verschiedene Aspekte ein, wie erforderliche politische Rahmenbedingungen, zukünftige Markterwartung, Konversionseffizienz und praktische Nutzung.

Wollen die EU-Mitgliedsstaaten ihre Klimaziele im Verkehr erreichen, brauchen sie dafür eine kontinuierlich steigende Nutzung abfallbasierter Biokraftstoffe. Das war eine der Kernaussagen des Themenblocks.

Ebenso wurde betont, dass abfallbasierter Biodiesel insbesondere dem hohen PKW- und LKW-Bestand ermöglicht, einen sofortigen und tatsächlichen Beitrag zu einem klimafreundlicheren Straßenverkehr zu leisten; ob als B7, B10, B15 oder ein reiner Form als B100. Vorbildlich wurde dabei die Initiative des Tankstellenbetreibers Prio aus Portugal herausgestellt. Dieser bietet mit zunehmendem Erfolg bereits B15 an öffentlichen Tankstellen an.

Hier alle Vorträge aus dem Themenblock „Biokraftstoffe aus Abfall- und Reststoffen“.

Increased household collection of used cooking oil means better climate protection

In line with the EU Green deal agenda, with the Federal Climate Protection Act Germany has set itself the ambitious goal of linearly reducing greenhouse gas emissions from transport to 95 million tons of CO2-eq by 2030, writes Hubert Zenk.

In order to achieve the annual climate targets, short and medium-term climate effective measures are required to mitigate the emissions also of the existing vehicle fleet.

The consumption of more waste-based biodiesel, e.g. from used cooking oils, is one of such measures. In Germany, the use of waste-based biodiesel already saved 3.6 million t CO2-eq in road transport in 2018. In 2019 it was 2.9 million t CO2-eq. This is made possible because waste-based biodiesel is characterized by a particularly high greenhouse gas reduction of more than 90% compared to fossil diesel. The aim must therefore be to collect every drop of used cooking oils in order to produce highly sustainable biodiesel.

In many countries, used cooking oils are already being collected from restaurants and the food industry. But their full potential is far from being reached. Especially because the used cooking oil from households is usually not collected. This is the case in Germany, where the amount of used cooking oil that can be collected from households is estimated to be over 100,000 t per year. Increased collection has additional positive effects because many households dispose of their used cooking oil down the drain into the sewer system, where it can contribute to the formation of so-called “fatbergs”.

A professional collection of used cooking oils from households that could be successfully implemented in any EU Member State has been recently tested in Germany by the Lesch Altfettrecycling company and the MVaK association as project partners in the DBU-funded project “Jeder Tropfen Zählt” (Every drop counts). This project had an overwhelmingly positive response in the communities in which it was tested, with the most tangible result being that the cities of Erlangen and Fürth have now decided to introduce the collection throughout the city.

During the 18-month pilot project residents of the districts of Erlangen, Fürth, and Roth, in Bavaria, were given 1.2-liter reusable collection containers and collection machines were set up in the test regions, where  filled collection containers can be exchanged for empty ones. The collected quantities of used cooking oil exceeded the expectations after a short time. At the same time, many municipalities from other regions of Germany showed interest in introducing a collection there as well.

“The interest in expanding the collection of used cooking oils nationwide is obvious. The benefits for climate protection and environmental protection are undisputed”, says Detlef Evers, managing director of the MVaK. “Now the German  government has to send the right signals for a further expansion of the collection in the framework of the national RED II implementation,” continues Evers, “the limitation for the use of waste-based biofuels must be raised further. And the greenhouse gas reduction quota must be increased immediately and not only in 2024.”

Hubert Zenk is the General Manager of the UCO collector company Jeder Tropfen Zählt GmbH.

This article was first published on December 3rd 2020 at www.euractiv.com.

Von der Weihnachtsgans zum Biodiesel

Zu Weihnachten kommt in vielen Haushalten eine saftige Gans auf den Tisch. Doch während das alte Fett der Weihnachtsgans häufig zu Hause im Müll landet, stellt eine Firma im westfälischen Oeding daraus Biodiesel her

Text und Bilder: Anne-Sophie Barreau, Illustration: Tim Möller-Kaya
erschienen am 27.11.2020 in der ADAC Motorwelt Nordrhein-Westfalen

Stefan Patzek schwärmt für Weihnachtsgänse. Zu den Feiertagen gehören sie für ihn genauso dazu wie zu seinem alljährlichen Geschäft. Denn der „Oel-König“ aus Hamm nimmt den Küchenchefs der Region ihr altes Brat- und Frittierfett ab, am liebsten literweise. Für die Entsorgung ihrer stinkenden Küchenreste müssen die Imbissbuden, Schnellrestaurants, Kantinen und Mensen nichts bezahlen, im Gegenteil: Sie bekommen sogar Geld dafür. In der Regel ein paar Cent pro Liter. „Gebrauchtes Speisefett ist wertvoll, denn es lässt sich perfekt Diesel daraus herstellen“, sagt Patzek. „Der Markt ist hart umkämpft.“ Rund 6000 Kunden hat Patzek in Nordrhein-Westfalen und ganz Deutschland. Im Jahr sammelt er knapp 4000 Tonnen altes Fett und beliefert Firmen, die dieses weiter reinigen und aufbereiten.

Gute 100 Kilometer entfernt, im westlichen Münsterland: Im kleinen Ort Oeding produziert die internationale Firma Renewable Energy Group (REG) mit Hauptsitz im US-amerikanischen Iowa aus den Essensresten Biodiesel – knapp 70.000 Tonnen im Jahr, also rund 80 Millionen Liter. „Altes Brat- und Frittierfett hat ein ähnliches Fettsäuremuster wie frisches Öl und ist deshalb ideal als Basis für Biodiesel geeignet“, erklärt Dieter Hengstermann, Leiter der Anlage in Oeding.

Biodiesel aus Abfällen kombiniert Ökonomie und Ökologie 

Die Firma ist nach eigenen Angaben die einzige in Nordrhein-Westfalen, die den Öko-Kraftstoff ausschließlich aus altem Speisefett herstellt. Seit den 90er-Jahren wird in der Oedinger Anlage und dem dazugehörigen Labor an der Produktion und Weiterentwicklung des speziellen Sprits getüftelt. Das Unternehmen gehört zu den Großen in der Branche: Zu den Kunden zählen BP/ Aral, Esso, Shell und große Mineralölhändler weltweit. Die Produktionskapazität liegt bei rund 85.000 Tonnen im Jahr. 

Biokraftstoff wird in Deutschland hauptsächlich aus Raps oder Altspeisefetten gewonnen, zum Teil auch aus Palmöl oder Soja. Alle Anbieter von konventionellem Diesel sind hierzulande verpflichtet, Treibhausgase einzusparen, und mischen konventionellem Diesel einen Anteil von etwa sieben Prozent des Öko-Kraftstoffs bei. An der Tankstelle ist der Sprit daher als „B7“ gekennzeichnet. 

Vom Topf in den Tank Durch Biodiesel aus altem Frittier- und Bratfett lässt sich CO2 sparen. Foto: Anne-Sophie Barreau 
Die Qualität des Öko-Kraftstoffs entspricht strengen gesetzlichen Richtlinien. Im Labor wird sie regelmäßig kontrolliert. Foto: Anne-Sophie Barreau 

Nachhaltig und klimaschonend 

„Biodiesel aus Abfällen kombiniert Ökonomie und Ökologie: Er gibt Gastronomen einen Anreiz, ökologisch zu handeln, indem sie ihr gebrauchtes Brat- und Frittierfett verkaufen. Wir recyceln das alte Speisefett dann zu hochwertigem Diesel“, sagt Michael Fiedler-Panajotopoulos, Vorsitzender des Mittelstandsverbands abfallbasierter Kraftstoffe e. V. und Sprecher der REG. Gleichzeitig hat Biodiesel aus altem Frittenfett einen Vorteil gegenüber Ölpflanzen als Rohstoff, wie der REG-Sprecher betont. „Während Biodiesel aus Ölpflanzen den Ausstoß von CO2 gegenüber konventionellem Diesel um etwa 50 bis 60 Prozent reduziert, sind es beim Biodiesel aus alten Fetten und Ölen bis zu 90 Prozent! Das macht unseren Diesel klimaschonend und nachhaltig und leistet einen wichtigen Beitrag für die Umwelt.“ 

Ein Teil des Puzzles 

Wenn es um die Mobilität der Zukunft geht, ist der Biodiesel aus altem Frittierfett für Fiedler-Panajotopoulos keine Wunderlösung, aber durchaus ein Teil des Puzzles. „Hier können wir im Vergleich zu anderen Treibstoffen am meisten CO2 einsparen. Deshalb sollten wir uns nicht künstlich eingrenzen und nur sieben Prozent des Öko-Sprits beimischen. Ein Anteil von zehn Prozent wäre machbar und durchaus sinnvoll. In Frankreich und den USA ist B10, in Indonesien sogar schon B30 auf dem Markt“, fordert er. Außerdem könnte altes Frittenfett auch aus Privathaushalten gesammelt und für die Produktion von Biodiesel eingesetzt werden. „Ein Pilotprojekt in Bayern hat dazu ein Konzept erprobt und war sehr erfolgreich.“ So könnte künftig vielleicht auch die Weihnachtsgans von zu Hause – oder vielmehr ihr wertvolles Fett – für klimaschonende PS sorgen. 

Die Autorin:
Anne-Sophie Barreau
Presse/Öffentlichkeitsarbeit bei ALLGEMEINER DEUTSCHER AUTOMOBIL-CLUB (ADAC) Westfalen e.V. 

„Sinnvolle Sammlung von Altspeiseölen für mehr Klimaschutz im Straßenverkehr“

Unser Beitrag im ener|gate messenger vom 15.05.2020.

Berlin (energate) – Während die Emissionen in Deutschland 2019 gegenüber dem Vorjahr insgesamt gesunken sind, stiegen sie im Verkehrssektor leicht an. Detlef Evers vom Mittelstandsverband abfallbasierter Kraftstoffe hält zum Erreichen der Klimaziele schnell wirksame Maßnahmen wie einen stärken Einsatz von Biodiesel auf Basis von Reststoffen für notwendig.

Gastkommentar von Detlef Evers, Geschäftsführer des Mittelstandsverbands abfallbasierter Kraftstoffe e.V. (MVaK).

Der Verkehrssektor soll bereits in diesem Jahr seine Jahresemissionsmenge auf 150 Mio. Tonnen CO2-Äquivalente mindern und dann linear bis 2030 auf 95 Mio. Tonnen. So will es das Klimaschutzgesetz. Schnell wirkende Maßnahmen sind erforderlich, will man nicht schon kurzfristige Ziele verfehlen.

Die Verwendung von mehr abfallbasiertem Biodiesel ist eine solche Maßnahme. Sie wirkt schnell, effizient und hat ihre Tauglichkeit bewiesen. Allein in 2018 wurden in Deutschland durch die Nutzung von abfallbasiertem Biodiesel 3,6 Mio. Tonnen CO2-Äquivalente eingespart. Abfallbasierter Biodiesel zeichnet sich aus durch eine THG-Minderung von über 90 Prozent, wird fossilem Diesel bis zu 7 Prozent (B7) beigemischt und wird hauptsächlich aus gebrauchten Speiseölen hergestellt.

Altspeiseöle werden bereits in vielen Ländern aus Gaststätten, Restaurants und der Lebensmittelindustrie gesammelt. Und ihr vollständiges Potenzial ist längst nicht gehoben. In Deutschland wird gebrauchtes Speiseöl bisher nicht aus Haushalten gesammelt. Das Potenzial dort wird auf über 100.000 Tonnen pro Jahr geschätzt. Sammelbedarf besteht auch, weil viele Haushalte ihr Altspeiseöl über den Ausguss in die Kanalisation entsorgen. Dort kann es zur Entstehung sogenannter „Fatberge“ beitragen. Wie eine erfolgreiche Sammlung von Altspeiseölen aus deutschen Haushalten umgesetzt werden könnte, haben die Lesch Altfettrecycling  und der MVaK im Rahmen des DBU-geförderten Projektes „Jeder Tropfen zählt“ ermittelt; mit überwältigender Resonanz, sodass nun die Sammlung über die Testregionen hinaus ausgeweitet werden soll.

Weitere Potenziale vorhanden

Weitaus größeres Sammel-Potenzial gibt es in osteuropäischen EU-Staaten und Drittstaaten. In Staaten wie China, Indien oder Indonesien wächst die Mittelschicht und damit der Pro-Kopf-Verbrauch an Speiseölen. Die sammelbare Menge dort wird auf mehrere Millionen Tonnen geschätzt. Bestrebungen der Staatsregierungen, die zu häufige und damit gesundheitsgefährdende Nutzung von Speiseöl zu unterbinden, unterstützen den Aufbau einer Sammlung. Und durch die Produktion von Biodiesel wird das lebensmitteluntaugliche Öl dem Nahrungsmittelkreislauf zuverlässig entzogen. Zudem hat die chinesische Regierung den Verkauf und die Verwendung von sogenanntem „Gutter Oil“, einer Mischung aus frischem und übermäßig gebrauchtem Speiseöl, unter empfindliche Strafen gestellt. Deutschland darf sich deshalb Importen von Altspeiseöl nicht verschließen. Unsere Nachfrage nach gebrauchten Speiseölen hilft, eine sinnvolle Sammlung in Drittstaaten aufzubauen und noch vielmehr die Gesundheit der Menschen dort zu schützen.

Es gibt also noch Potenzial, die Absatzmenge von abfallbasiertem Biodiesel in Deutschland zu steigern. Und es gibt zusätzliche technische Optionen dafür. Das zeigen die Schweiz und Österreich, wo große Nutzfahrzeugflotten Biodiesel auch in reiner Form (B100) einsetzen, oder französische PKW-Hersteller, die Fahrzeuge für den B10-Betrieb freigegeben haben.

Chancen der RED II nutzen

Gleichwohl sind Abfälle und Reststoffe nur begrenzt verfügbar. Deshalb ist es geboten, gebrauchte Speiseöle nur dort zu verwenden, wo sie den größten Beitrag zum Klimaschutz leisten können: im Straßenverkehr als Biodiesel. Will die Bundesregierung ihre Klimaschutzziel für den Verkehrssektor bis 2030 erreichen, dann sollte sie bei der nationalen Umsetzung der RED II auch die Rahmenbedingungen dafür schaffen, die größtmögliche Menge von nachhaltigem abfallbasierten Biodiesel im Straßenverkehr zu nutzen.